Rückblick 2015: „Hätte man…“ 29.12.2015
Das Börsenjahr neigt sich dem Ende entgegen. Und auch wenn man die Jahresbilanz genau genommen erst am 31.12. mit der Schluss-Glocke an der Wall-Street ziehen kann, so viel lässt sich bereits vorwegnehmen: 2015 war ein durchwachsenes Börsenjahr. Zwar retteten sich europäische Aktien gemessen am EuroStoxx 50 kurz vor Weihnachten noch in den grünen Bereich. Der amerikanische Dow Jones Index steht hingegen kurz vor Jahresende tiefer, als er ins Jahr gestartet ist.
Verwöhnt von zweistelligen Kursgewinnen in den Vorjahren mag daher über die Börsen-Bilanz 2015 keine richtige Freude aufkommen. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass wir im IAC mit unseren Qualitätsaktien bereits im April ein Kursplus von 15 % auf der Uhr hatten. Hätten wir damals alle unsere Aktien verkauft, könnten wir uns jetzt über ein zweistelliges Plus als Jahresergebnis freuen. Doch bekanntlich ist der reichste Mann an der Börse gerade aufgrund solcher Überlegungen nicht Bill Gates oder Warren Buffett, sondern der „Hätte-Mann…“.
Hellseherische Fähigkeiten
Hätte man die hellseherische Fähigkeit, die Börsenentwicklung der kommenden Monate vorherzusehen, ließe sich das Geld unbegrenzt und quasi im Schlaf verdienen. Die Praxis freilich sieht anders aus. Tief kaufen und hoch verkaufen können laut Börsenaltmeister Kostolany nur zwei: Der liebe Gott und der Lügner. Sogenannten „Börsenexperten“, die regelmäßig ihre Kursprognosen in den Medien kundtun und den Eindruck erwecken, sie wüssten, ob die Börse grade hoch oder tief stünde, darf man diese Fähigkeit getrost absprechen. Ansonsten würden diese Leute sich schon längst in der Karibik die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, anstatt als Angestellte einer Bank eine 40-Stunden-Woche zu schieben.
Um die durchwachsene Börsenentwicklung ab April vorherzusehen, hätte man zudem gleich eine ganze Reihe an Ereignissen korrekt prognostizieren müssen: Das Wiederaufflammen der Griechenlandkrise im Frühjahr, den Börsen-Crash in China im Juni, den VW-Abgasskandal im September, den Ölpreis-Verfall im zweiten Halbjahr sowie die Zinsentscheidungen der Notenbanken im Dezember. Alle diese Ereignisse haben die Börse kurzfristig ordentlich durchgerüttelt.
Börse und Wirtschaft
Ganz im Gegensatz zur durchwachsenen Börsen-Bilanz war das Jahr 2015 aus Sicht der Realwirtschaft erfreulich: Das Weltwirtschaftswachstum betrug dank starker US-Konjunktur laut vorläufiger IWF-Schätzung real 3,1%. Addiert man die globale Inflationsrate hinzu, ergibt sich ein nominales Wachstum von über 5%. Entsprechend wertvoller ist die Weltwirtschaft als Ganzes geworden – und mit ihr ihre Protagonisten: die Unternehmen. Da Letztere nicht nur wertvoller geworden sind, sondern auch noch prächtig verdient haben, ergoss sich über die Eigentümer, sprich die Aktionäre, zusätzlich ein warmer Dividendenregen. Allein die 1.200 größten Firmen der Welt schütteten 2015 die rekordverdächtige Summe von fast 1,2 Billion US-Dollar aus. Das entspricht einer Dividendenrendite von rund 3%.
Über 5% Wachstum der Weltwirtschaft und zusätzlich 3% Dividendenrendite: Das hätte für die Börse doch eigentlich ein Ertragspotenzial von über 8% ausmachen müssen? Nun, der Mathematik folgend schon. „An der Börse sind zwei mal zwei jedoch niemals vier, sondern fünf minus eins“, so Kostolany. Börse und Wirtschaft verhalten sich nämlich zueinander wie Hund und Herrchen beim Spaziergang: Das Herrchen geht seinen Weg stetig voran. Der Hund hingegen springt mal weit voraus oder bleibt auch mal zurück. Am Ende aber kommen beide am gleichen Ziel an. Auch Wirtschaft und Börse folgen nur langfristig dem gleichen Wachstumspfad. Kurzfristig lassen sich die Börsianer von Tagesnachrichten lenken. Welche das in 2016 sein werden, darüber lässt sich nur spekulieren. Eines aber ist sicher: Nachdem die Börse in 2015 hinter ihrem langfristigen Wachstumspfad von rund 9% pro Jahr zurückgeblieben ist, stehen die Chancen gut, dass 2016 wieder überdurchschnittlich Erträge winken.