Crash-Prognosen 31.05.2016
Crash-Propheten haben in diesen Tagen Hochkonjunktur: Hedgefondsmanager George Soros erwartet „ein Desaster“ an den Aktienmärkten. Milliardär Carl Icahn warnt im US-Fernsehen vor einem „Tag der Abrechnung“. Analyst Albert Edwards von der Société Générale sieht den DAX „unter 3.000 Punkten“ – ein Einbruch von über 70 %. Und Rohstoff-Experte Jim Rogers malt gar einen „biblischen Kollaps“ an die Wand, der viele alte Institutionen, Traditionen, politische Parteien, Regierungen, Kulturen und sogar ganze Nationen dahinfegen werde.
Und tatsächlich: Im Juni stehen gleich mehrere Ereignisse an, die das Potenzial haben, die Finanzmärkte durcheinander zu wirbeln. Am 14./15. Juni entscheidet die US-Notenbank Fed über eine mögliche Zinserhöhung. Am 23. Juni stimmen die Briten über ihren Verbleib in der Europäischen Union ab. Und nur zwei Tage vorher, am 21. Juni, spricht das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur (Un-)Rechtmäßigkeit des OMT-Programms der EZB.
Die möglichen Folgen: Sollte die Fed die Zinsen anheben, könnten Anleger ihr Geld aus Aktien in Zinsanlagen umschichten und so die Kurse unter Druck bringen. Erklärt das Verfassungsgericht das OMT-Programm für unrechtmäßig, stünde die Rettungspolitik der Notenbank infrage. Doch wie sollten dann die Euro-Staaten vor der Schuldenkrise gerettet werden? Und stimmen die Briten für einen EU-Austritt, wäre dies erstens schlecht für die Wirtschaft und könnte zweitens der Anfang vom Ende der europäischen Solidargemeinschaft sein. Gründe genug also, einen wahren Crash-Sommer zu prognostizieren.
Doch Panik ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Und die meisten Prognosen sind ohnehin das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. So prophezeite Rohstoff-Experte Jim Rogers beispielsweise noch im Jahr 2009 eine Jahrzehnte anhaltende Rohstoff-Hausse – seither hat sich der nach ihm benannte Rohstoff-Index RICI rund gedrittelt.
Hinzu kommt: Prognostiker verfolgen mit ihren Prognosen regelmäßig ureigene Interessen. Wer weiß, dass sein Wort unter Anlegern Gehör findet, wird seine Äußerungen so tätigen, dass sie ihm nutzen. Will ein Hedgefondsmanager beispielsweise am Aktienmarkt günstig zukaufen, macht es für ihn Sinn, Crash-Prognosen abzugeben, um Anleger dazu zu bewegen, ihre Aktien panisch zu verkaufen. So kann der Hedgefondsmanager die Papiere günstig einsammeln. Die auffällige Zunahme der Crash-Prognosen in den letzten Wochen könnte also ein gutes Kaufsignal sein.
Und was ist mit den realen Risiken: Fed, Brexit und OMT-Entscheid? In der Tat könnten die Ereignisse für kurzfristige Schwankungen sorgen – allerdings weiß niemand, in welche Richtung! Schließlich sind Stimmung und Kurse aufgrund der anstehenden Unsicherheit aktuell bereits gedrückt. Bei einem positiven Ausgang der Ereignisse würde es daher zu einer Erleichterungs-Rallye kommen.
Mein Tipp: Behalten Sie angesichts der anstehenden Unsicherheiten im Juni das wahre Risiko im Auge - nicht investiert zu sein! Die Börsenkurse stehen heute niedriger als vor einem Jahr, und das, obwohl die Unternehmen in der Zwischenzeit gutes Geld verdient haben und daher wertvoller geworden sind. Kommt die Börsenerholung erst in Gang, schaut man den steigenden Kursen schnell hinterher.
Oder, um es mit Warren Buffett zu sagen: "Die Zukunft ist niemals klar: Schon für ein bisschen Gewissheit muss man einen hohen Preis zahlen. Unsicherheit ist deshalb der Freund von Langfrist-Investoren."