Bleigießen 29.12.2016
Ist es bei Ihnen zuhause auch Tradition? An Silvester gießt man mit Freunden oder der Familie fleißig Blei und orakelt gemeinsam, was die entstehenden Figuren einem über die Zukunft verraten. Zwar kann man sich nur schwer vorstellen, dass Banken und Analysten ihre Börsen-Prognosen auf gleiche Art und Weise erstellen, aber wer weiß das schon? Die Treffgenauigkeit der Börsen-Experten liegt jedenfalls kaum höher als die der fleißigen Silvester-Bleigießer.
Rückblick: Prognosen 2016
Die vor einem Jahr von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) befragten 22 Banken prognostizierten dem DAX beispielsweise ein sehr erfreuliches Börsenjahr 2016. Durchschnittlich erwarteten die Experten ein Plus von über 11 %. Tatsächlich aber war das Börsenjahr 2016 für deutsche Aktien ziemlich durchwachsen: Nach dem schlechtesten Jahresstart seiner fast 30-jährigen Geschichte und dem Brexit-Schock zur Jahresmitte rettete sich der DAX erst im Dezember überhaupt in positives Terrain. Am letzten Handelstag des Jahres notieren die Kurse der deutschen Blue-Chips nicht einmal 4 % höher als zu Jahresbeginn. Zu den von der Commerzbank prognostizierten 12.600 Punkten zum Jahresende trennen den DAX aktuell noch über 1.000 Punkte.
Vielleicht hätte man es in Frankfurt doch mal mit Bleigießen versuchen sollen? Zumindest eines der 22 befragten Häuser hätte dabei ja vielleicht eine Figur gegossen, die mit etwas Phantasie wie die Zahl 20.000 ausgesehen hätte. In deren Nähe notiert nämlich aktuell der Dow Jones Index dank eines Zugewinns von rund 12 % im laufenden Jahr. Zugetraut hatte das dem US-Börsenbarometer kein einziger der Ende 2015 befragten Experten. Im Gegenteil: Für US-Aktien waren die Profis eher pessimistisch gestimmt und hatten im Durchschnitt 0 % Kurszuwachs prognostiziert. Vielleicht ja ein positives Omen: Für 2017 erwarten die Banken nämlich diesmal beim DAX eine Null-Runde. Sollten sie sich damit genauso irren, wie 2016 beim Dow Jones, stünden deutschen Aktien in 2017 zweistellige Kursgewinne bevor.
Megatrends statt Kurzfrist-Prognosen
Das Problem an der ganzen Orakelei: Nicht nur, dass die Prognosen nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind – unglücklicherweise lenken sie Anleger auch noch vom langfristigen Blick ab. Um Megatrends, wie die wachsende Weltbevölkerung zu erkennen, braucht man keine hellseherischen Fähigkeiten. Schon Ende 2017 werden wieder 80 Millionen Menschen mehr auf unserem Planeten leben, so viel wie Deutschland Einwohner hat. Und selbstverständlich wollen auch diese Menschen essen, trinken, telefonieren und im Internet surfen. McDonald´s, Coca-Cola, Apple und Google wird es freuen. Auch dieser Megatrend läßt sich ohne Glaskugel erkennen: Die Menschen in den Industrienationen werden immer älter. Das freut nicht nur unsere Pharmakonzerne und Medizintechnikhersteller wie Bayer, Johnson & Johnson, Pfizer oder Medtronic, sondern auch unsere Kreuzfahrtrederei Carnival.
Ein weiterer Megatrend ohne Prognose-Risiko: der Wohlstandszugewinn. Allen voran in den Schwellenländern. Die dort heranwachsende kaufkräftige Mittelschicht möchte ebenso wie die Menschen in den Industrienationen moderne Hygieneartikel nutzen, in ihrer Freizeit unterhalten werden, Statussymbole besitzen und mobil sein. Procter & Gamble, Walt Disney, Time Warner, BMW und Daimler verdienen kräftig mit.
Natürlich weiß niemand, ob die Aktienkurse in 2017 von diesen Megatrends profitieren. Kurzfristig folgt die Börse nun einmal eher der Stimmung der Anleger als der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen. Langfristig aber werden sich diese globalen Wachstumstrends in den Umsätzen, Gewinnen und Dividenden unserer Konzerne widerspiegeln. Meine persönliche Prognose für das neue Jahr lautet daher: Angesichts der langfristigen Wachstumschancen, aber auch wegen der verschwundenen Zinsen, bleiben Qualitätsaktien für Anleger auch in 2017 unverzichtbar.
In diesem Sinne: Einen guten Rutsch und viel Spaß beim Bleigießen !