Die Krise der Lebensversicherer 30.07.2018
Während die Banken ihr Waterloo im Rahmen der Finanzkrise 2009 bereits hinter sich haben, steht es einer anderen Spezies der Finanzbranche erst noch bevor: den Lebensversicherern. Der Grund, warum die Versicherer bisher weitgehend ungeschoren durch die Finanzkrise und die folgende Niedrigzinsphase gekommen sind, ist simpel: Während die Banken mit Tagesgeld-, Spar- und Girokonten überwiegend kurzfristige Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden haben, sind die Verbindlichkeiten der Lebensversicherer sehr langfristig. Vertragslaufzeiten von 20 oder 30 Jahren sind bei Lebensversicherungen eher die Regel als die Ausnahme.
Kommt es nun zu einer Finanzkrise, können die Kunden ihre Bankeinlagen kurzerhand abheben und bringen die Banken damit ins Wanken – ein klassischer „Bank-Run“. Zu einem vergleichbaren Ansturm auf die Lebensversicherer kam es hingegen in der Finanzkrise nicht – eben weil die Verträge von vornherein langfristig ausgelegt sind. Das verschafft den Versicherern zwar den Vorteil, gegen Akut-Ereignisse wie die Finanzkrise weitgehend immun zu sein. Es darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen der Finanzkrise - allen voran die seither praktizierte Niedrigzins-Politik - die Lebensversicherer ebenso hart treffen. Nur eben schleichend und um einige Jahre zeitverzögert. Kein Wunder also, dass es heute, knapp 10 Jahre nach der Finanzkrise, nicht sonderlich gut um die Lebensversicherer steht. Wobei das viele Kunden offenbar noch gar nicht bemerkt haben.
Das Alters-Sorge-Produkt
Tatsächlich aber hat die Finanzaufsicht BaFin bereits 34 der 84 deutschen Anbieter unter verschärfte Kontrolle genommen. Das Problem der Lebensversicherer liegt auf der Hand: Garantiezinsen von 4% für Altkunden vertragen sich nun einmal nicht mit 0% Zinsen am Kapitalmarkt. Und die Herabsetzung des Garantiezinses für Neuverträge auf 0,9% macht Neuabschlüsse für Kunden unattraktiv. Allemal, weil es sich beim Garantiezins ohnehin um Augenwischerei handelt, da dieser nur die garantierte Verzinsung vor Kosten angibt. Nach Berücksichtigung der Kosten werfen viele Lebensversicherungen bereits heute eine Negativverzinsung ab. Die Inflation von aktuell rund 2% tut dann ein Übriges, um die langlaufenden Altersvorsorgeverträge zu einem wahren Alters-Sorge-Produkt zu machen.
"Run-Off": Lebensversicherer auf der Flucht
Das wissen auch die Lebensversicherer und haben daher bereits vielfach die klassische Lebensversicherung aus dem Angebot genommen. Dumm nur, dass die hochverzinsten Altverträge den Versicherern langsam aber sicher die Luft abschnüren je länger die Niedrigzinsphase andauert. Um ihren Kopf aus dieser Schlinge zu retten, greifen nun einige Versicherer zum sogenannten „Run-Off“. Dabei wird kurzerhand das gesamte Lebensversicherungsgeschäft mit seinem ohnehin darbenden Neugeschäft und den zunehmend drückenden Altlasten verkauft. Und mit ihm die Kunden, die ihre Verträge vor Jahrzehnten im guten Glauben abgeschlossen haben, ihre Altersvorsorge auf einen soliden Versicherer gebaut zu haben. Was bei der Bewältigung der Finanzkrise bei den Banken sogenannte „Bad Banks“ waren, sind bei den Lebensversicherern also nun „Run-Offs“. Nur dass bei den Banken lediglich toxische Wertpapiere abgeschoben wurden, bei den Versicherern hingegen gleich der ganze Kunde. Kein Wunder, dass nicht nur die rund 4 Millionen jüngst betroffenen Kunden der Generali Lebensversicherung aufschreien, sondern auch Politik und Verbraucherzentralen.
BGH-Urteil: legalisierte Enteignung
Rückenwind bei der Bewältigung ihres immer drückenderen Problems erhielten die Lebensversicherer jüngst in anderer Sache höchstrichterlich vom BGH. Der hatte darüber zu entscheiden, wie der rund 132-Milliarden Euro schwere Schatz der Bewertungsreserven in den Bilanzen der Versicherer aufzuteilen ist. Ergebnis: Die Versicherer dürfen ihre Altkunden nun ganz legal enteignen, um neueren Verträgen überhaupt noch den mageren Garantiezins von 0,9% bezahlen zu können. Irgendwer muss die Zeche nun einmal zahlen für die Lebensversicherer, denen das Wasser bis zum Hals steht. Und da das aus politischer Sicht nicht noch einmal wie zuvor bei der Bankenrettung der Steuerzahler sein soll, sind es eben die Altkunden der Lebensversicherer. Wer jahzehntelang eisern seine Lebensversicherung bespart hat, ist also nun der Dumme.
Banken und Versicherungen raus aus dem Depot
Die Aktionäre von Allianz und Co. hingegen kann das BGH-Urteil nur freuen. Sie kassieren weiter bis zu 5% Dividende, was die Aktien der Versicherer durchaus interessant macht. Im IAC haben wir dennoch in den letzten Jahren konsequent unsere Versicherungs- und Bankaktien reduziert. Vor wenigen Tagen haben wir mit HSBC nun auch unsere letzte Finanzaktie aus dem Depot geworfen. Auch wenn Banken und Versicherer dank Rettung durch Steuergelder, Run-Offs oder das jüngste BGH-Urteil am Ende ihre selbstverschuldeten Verluste gar nicht selbst tragen müssen – langfristig zahlen sie dafür in einer viel härteren Währung als den eingesparten Euros: mit dem verlorenen Vertrauen der Kunden.