Aktienphobie 29.01.2019
Das Verhältnis der Deutschen zu Aktien bleibt schwierig: Die Börse erscheint ihnen als ein Ort, an dem man spekulieren und mit Glück kurzfristig viel Geld verdienen oder aber mit Pech alles verlieren kann. Doch dass man mit Aktien langfristig ein Vermögen aufbauen und es gleichzeitig vor Risiken wie Inflation, Bank- und Staatspleiten schützen kann, ist den allermeisten nach wie vor unbekannt. Das ergibt eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov. Demnach hegt ausgerechnet die wohlhabendste Altersgruppe, die Generation der 51- bis 64-Jährigen, das größte Misstrauen gegen Aktien.
Besonders viele finden, dass die Geldanlage dort nur etwas für Experten sei. Einerseits ist es für knapp die Hälfte „hochinteressant“, Geld an der Börse anzulegen. Andererseits halten mit 47% der Deutschen ebensoviele die Börse für so riskant wie ein Spielcasino. Eine Mehrheit von 56% fürchtet „unkontrollierbare Risiken“ und würde Geld nur mit Kapitalgarantie an der Börse anlegen. Das aber ist ein Widerspruch in sich, getreu dem Motto: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Schließlich sind Aktien Unternehmensbeteiligungen und unterliegen damit den Gesetzen des Unternehmertums.
Ebensowenig, wie ein Arzt, Steuerberater, Bäcker oder sonst ein Unternehmer erwarten kann, dass ihm jemand eine Garantie für seinen unternehmerischen Erfolg gibt, kann es der Aktionär für die von ihm eingegangene Unternehmensbeteiligungen erwarten. Vielmehr ist es gerade die Bereitschaft zur Übernahme von Risiko, die begründet und rechtfertigt, dass Unternehmer und Aktionäre mit überdurchschnittlichen Einkommen und Renditen entlohnt werden. Zwar kann der einzelne Unternehmer auch scheitern - ebenso wie das einzelne Unternehmen. Ein Scheitern von Unternehmertum und Wirtschaft in Gänze hingegen ist nicht möglich.
Hier liegt der Vorteil, den der Aktionär gegenüber dem Unternehmer hat: während Letzterer auf Gedeih und Verderb vom Erfolg seiner Unternehmung in seiner Branche und in seiner Region abhängig ist, kann der Aktionär weltweit in viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Ländern investieren. So läßt sich ein Stück vom ständig wachsenden Kuchen der Weltwirtschaft abschneiden und gleichzeitig das einzelne Unternehmensrisiko quasi vollständig eliminieren.
Was bleibt, ist das Risiko kurzfristiger Kursschwankungen. Diese resultieren zum Einen daraus, dass die (Welt-)Wirtschaft zwar langfristig wächst, dabei aber kurzfristigen Konjunkturzyklen unterliegt. Zum Anderen unterliegt die Stimmung der Börsianer selbst regelmäßigen Schwankungen: einmal sind sie euphorisch und treiben die Aktienkurse kurzfristig deutlich höher als wirtschaftlich gerechtfertigt – ein anderes Mal sind sie pessimistisch und treiben die Kurse unter ihren wirtschaftlich gerechtfertigten Wert. Beide Phänomene, Konjunkturschwankungen und Stimmungsschwankungen, sind jedoch nur temporärer Natur und stellen folglich nur für den kurzfristig orientierten Anleger ein Risiko dar.
Langfristig hingegen streben Börse und Wirtschaft gemeinsam aufwärts. Für den Langfrist-Aktionär macht es denn auch so gut wie keinen Unterschied, ob er vor oder nach einem Börsencrash investiert. Ein Pechvogel, der beispielsweise am Vorabend des 1987-Crashs 10.000 USD an der US-Börse investiert hat, verzeichnete am Folgetag einen Kursrückgang auf unter 7.800 USD. Ein Verlust von über 22% und damit der größte Tagesverlust in der gesamten Börsengeschichte. Bis heute aber wäre der Wert auf mehr als 200.000 USD angewachsen. Das entspricht trotz des unglücklichen Einstiegszeitpunktes einer Rendite von rund 10% pro Jahr. Dem Glückspilz hingegen, der nur einen Tag später zu Tiefstkursen gekauft hätte, wäre zwar der Crash erspart geblieben. Langfristig hätte er bis heute aber auch nur eine Rendite von rund 10,8% pro Jahr erzielt - gerade einmal 0,8% pro Jahr mehr als der Pechvogel.
Ein Spielcasino ist die Börse damit lediglich für Kurzfristanleger. Für Langfristanleger hingegen ist sie der sicherste und erfolgversprechendste Weg, um sich ihren Teil vom Wachstum der Wirtschaft zu sichern und so langfristig ein Vermögen aufzubauen.