Technologie-Blase 2.0 ? 30.07.2020
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich: Trotz Pandemie-bedingt weltweit schwerster Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Börse vom Corona-Schock seit März in atemberaubendem Tempo erholt. Gemessen am weltweiten Börsenindex MSCI-World liegen die Kurse im laufenden Jahr nur noch einstellig im Minus. Das deutsche Aktienbarometer DAX hatte in der zweiten Juli-Hälfte gar kurzzeitig seinen Stand vom Jahresanfang zurückerobert. Alles halb so wild also mit dem Wirtschafts-Desaster, das Corona der Welt beschert?
Nicht ganz. Denn tatsächlich spiegeln die Börsen-Indizes derzeit nur die halbe Wahrheit wieder. Die Börsenwelt ist zweigeteilt, wie selten zuvor: Während die Aktienkurse von Airlines, Reiseveranstaltern, Ölkonzernen, Banken, Autoherstellern und zahlreichen anderen Branchen nach wie vor am Boden liegen, ist eine Branche auf Rekordjagd: Technologie. Die US-Tech-Börse Nasdaq stand im Juli bereits 20% höher als am Jahresanfang. Und das nicht trotz, sondern gerade wegen Corona. Schließlich bescherte uns die Pandemie mit dem Social Distancing auch einen wahren Hype bei Online-Shopping, Home-Office, Video-Konferenzen, kontaktlosem Bezahlen und zahlreichen weiteren digitalen Services.
Microsoft-Chef Satya Nadella brachte es bereits im Mai auf den Punkt: „Beim Thema Digitalisierung sind wir in den letzten zwei Monaten so stark vorangekommen, wie ansonsten in zwei Jahren“. Kein Wunder also, dass die Geschäfte bei Microsoft, Apple, Amazon, Google & Co. brummen und ihren Aktionären ein breites Lachen ins Gesicht zaubern. Amazon-Gründer Jeff Bezos stellte denn auch gleich einen neuen Rekord auf, als der Kurs der Amazon-Aktie am 20. Juli um 7,8% anstieg und den Chef des Online-Händlers damit um 13 Milliarden Dollar reicher machte. Einen so hohen Vermögenszuwachs an nur einem einzigen Tag hatte es im weltweiten Milliardärs-Index von Bloomberg zuvor noch nie gegeben.
Angelockt von solchen Meldungen hat sich der Hype um Technologie-Aktien mittlerweile verselbstständigt: Vor allem junge Anleger, die sogenannten Millennials, stürmen derzeit erstmals an die Börse. Der Online-Broker Comdirect meldete jüngst eine Verfünffachung der Depoteröffnungen und verzeichnet damit so viele Neu-Börsianer wie zuletzt im Jahr 2000. Die ING-Diba eröffnete im laufenden Jahr gar schon über 200.000 neue Depots, soviel wie nie zuvor. Noch wilder geht es in den USA zu: Dort verzeichnete der noch junge Digital-Broker Robinhood im laufenden Jahr über 3 Millionen neue Depots. Meist Anleger unter 40 Jahren, die über die neue Smartphone-Trading-App ihre ersten Gehversuche an der Börse machen und dabei vorzugsweise auf die boomenden Tech-Aktien setzen.
Ältere Börsenhasen mögen sich angesichts dieser Entwicklung an die Technologie-Blase zur Jahrtausendwende erinnert fühlen. Auch damals war es eine große Schar von Neu-Aktionären, die den Kursgewinnen der schillernden Tech-Aktien nachjagten und am Ende bitterböse Verluste einfuhren.
Im IAC sehen wir die aktuelle Technologie-Hausse daher mit gemischten Gefühlen. Zwar hatten wir den Corona-bedingten Digitalisierungsboom bereits im März erkannt und in unseren Club-Fonds die Digitalisierungsgewinner Amazon und Visa neu aufgenommen. Seither freuen wir uns in den beiden Titeln über rund 30 und 50% Kursgewinn. Nach dem Motto von Super-Investor Warren Buffett „Werde gierig, wenn andere ängstlich werden und werde ängstlich, wenn andere gierig werden“, sollte man sich aber besser nicht von der allgemeinen Tech-Euphorie anstecken lassen. Vielmehr ist gerade jetzt eine breite Streuung über verschiedene Branchen notwendig.
Im IAC halten wir daher zwar rund 25% Technologie-Aktien, deren Kurse steigen und steigen und teils bereits luftige Höhen erreicht haben. Weitere rund 20% liegen in Big-Pharma, die sich in der aktuellen Gesundheitskrise im laufenden Jahr zumindest stabil halten. Der Rest, und damit mehr als die Hälfte unserer internationalen Qualitätsaktien, stammt aber aus anderen Branchen und ist damit ebenso, wie die Wirtschaft im Allgemeinen, vorübergehend teils stark negativ von der Corona-Krise betroffen. Das spiegelt sich in nach wie vor extrem niedrigen Kursen wider. Mit dieser breiten Branchen-Streuung profitieren wir zwar aktuell nur zu einem Teil vom Technologie-Boom. Im drohenden Fall eines jähen Endes dieses Trends sind wir aber auch weitgehend geschützt und profitieren zudem vom hohen Aufholpotenzial der anderen Branchen.