Inflation ante portas 27.05.2021
Wir Deutschen gelten gemeinhin als besonders Inflations-sensibel. Kein Wunder, haben unsere Eltern und Großeltern doch die Folgen von Inflation noch am eigenen Leibe erfahren: In der Hyperinflation 1923, als sich die Preise innerhalb weniger Monate mehr als vertausendfachten und das Geld wertlos wurde. Und erneut in den 1970er Jahren, als die Preise sich bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von rund 5% pro Jahr zwischen Anfang der 70er Jahre und Mitte der 80er Jahre nahezu verdoppelten und sich der Wert des sauer Ersparten damit halbierte. Seither war die Inflation auf dem Rückzug. Der heutigen Generation ist sie oft nur noch als Geist der Geschichte bekannt. Das könnte sich bald ändern.
Zwar klingen die Stimmen der Inflations-Warner schon seit der Finanzkrise 2009 laut im Chor. Schließlich hatten damals weltweit die Notenbanken einen Tabubruch begangen und sind quasi Hand in Hand in die zuvor tabuisierte und formal zumindest in Europa bis heute verbotene Staatsfinanzierung eingestiegen. Sprich: Man begann, wirtschaftliche und konjunkturelle Probleme bequem durch das Drucken von immer mehr Geld zu übertünchen, anstatt sie durch notwendige schmerzhafte Reformen nachhaltig zu lösen. Dennoch kam es in den Folgejahren eben nicht zur befürchteten Inflation. Diese Erfahrung wiederum hat Politiker und Notenbanken in der Corona-Krise ermutigt, auch die mit der Pandemie einhergehenden gravierenden wirtschaftlichen Probleme erneut mit der Notenpresse anzugehen – und das noch dazu in deutlich größerem Stil als zuvor in der Finanzkrise.
Inflation und Ketchup
Doch diesmal könnte die Inflation nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich warnte schon Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman: „Inflation ist stets und überall ein monetäres Problem“. Wer die Geldmenge dauerhaft schneller erhöht, als das ihr gegenüberstehende Angebot an Waren und Dienstleistungen, erntet früher oder später steigende Preise durch den Wertverfall des Geldes. Dass die Inflation angesichts der seit Jahren ausufernden Geldpolitik nicht bereits angesprungen ist, dürfte allein dem Umstand geschuldet sein, dass es sich mit ihr wie mit dem Ketchup in der Flasche verhält. Man möchte ihr ein klein wenig des süßen Dips entlocken und dreht die Flasche dafür vorsichtig kopfüber. Doch nichts passiert. Man wird mutiger, schüttelt kräftiger. Noch immer nichts. Erst, als man wiederholt beherzt auf den Boden der Flasche schlägt, löst sich die rote Sauce und erscheint auf dem Teller. Dummerweise jetzt aber gleich die halbe Flasche. Ebenso verhält es sich mit der Inflation. Sie ist nicht exakt dosierbar. Dennoch folgt sie wie der Ketchup früher oder später dem Gesetz von Ursache und Wirkung.
Und erste Wirkung auf die weltweit Billionen-schweren Corona-Rettungspakete aus der Notenpresse zeigen sich bereits. So ist die Inflation in den USA jüngst auf beeindruckende 4,2% hochgeschossen. Und soeben vermeldete die Bundesbank, dass sie im weiteren Jahresverlauf auch für Deutschland eine Inflation von 4% für mögliche hält. Nun muss das nicht zwingend der Auftakt für eine neue Hyperinflation sein, wie die Schwarzmaler bereits orakeln. Dass die Inflationsrate in den kommenden Jahren aber dauerhaft steigen bzw. sich auf höherem Niveau als in den letzten Jahrzehnten einrichten wird, scheint angesichts der ausgeuferten Geldpolitik allerdings naheliegend. Schon heute macht das Sparern das Leben schwer. Schließlich kriegen sie schon seit Jahren keine Zinsen mehr und müssen zudem bei immer mehr Banken sogar einen Strafzins zahlen.
Inflations-Profiteur werden - aber sicher !
Das zusammen mit einer Inflationsrate von 3 oder 4% lässt das sauer Ersparte schneller dahinschmelzen, als viele Sparer gegenansparen können. Profiteure von dieser Entwicklung sind einmal mehr die Vermögenden. Denn anders als der Durchschnittsbürger, der insbesondere hierzulande noch immer viel zu oft dem Sparbuch verbunden ist, investieren sie zumeist in Sachwerte wie Aktien und Immobilien. Und die profitieren nun einmal von Inflation: durch steigende Mieteinnahmen, steigende Firmengewinne und steigende Dividenden.
Die gute Nachricht ist: Jeder hat es selbst in der Hand, wie er sein Geld anlegt und damit, ob er Opfer der schleichenden Vermögensenteignung durch Inflation ist, oder ob er sogar von ihr profitiert. Kein Wunder, dass zuletzt immer mehr Anleger den Weg an die Börse finden.
PS: Bleibt zu hoffen, dass der Schritt der derzeit zahlreichen Neu-Aktionäre aufs glitschige Börsenparkett nicht allzu euphorisch erfolgt. Ansonsten wären ähnlich, wie seinerzeit beim letzten großen Neu-Aktionärs-Ansturm zur Jahrtausendwende, die Ausrutscher vorprogrammiert. Und ob man sein Geld durch die Inflation oder durch Kursverluste bei wilder Börsen-Zockerei verliert, macht am Ende keinen Unterschied.