Börsen-Ausblick 2022 30.12.2021
Das Börsenjahr ist noch nicht ganz zu Ende, doch bereits jetzt scheint sicher: Mit einem klar zweistelligen Ergebnis dürfte 2021 uns Aktionäre für das vorangegangene Corona-Jahr 2020 üppig entschädigen. Wieder einmal bewahrheitet sich damit Kostolanys Börsenweisheit, wonach Börsengewinne Schmerzensgeld sind: Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld. Doch wie geht es nun weiter 2022 und darüber hinaus?
Zwar besitzen auch wir keine Glaskugel, dennoch wagen wir eine Analyse: Das wichtigste Thema 2021 scheint uns die Inflation. Als die Preise im Frühjahr zu steigen begannen, titelten wir an dieser Stelle bereits „Inflation ante Portas“. Und während die Notenbanken noch beschwichtigten, es handle sich nur um ein temporäres Phänomen, bemühten wir bereits den Vergleich von der Inflation mit der Ketchup-Flasche: Erst kommt lange Zeit nichts heraus und dann plötzlich viel mehr, als man erwartet hat.
Inflation: höher und länger
Mittlerweile liegt die Inflation über 5% und ein Ende der Teuerung ist nicht in Sicht. Selbst die Notenbanken mussten einräumen, dass die Preissteigerung doch höher ausgefallen ist, als von ihnen erwartet und dass sie wohl auch länger anhalten wird. Das Gute: Die steigende Inflation brachte die Flucht in Sachwerte erst richtig ins Rollen und war damit 2021 ein wesentlicher Treiber der Börsenkurse. Dummerweise erweist sich die Inflation aber für die zukünftigen Aussichten eher als Damoklesschwert. Grund: Der aktuelle Zustand mit über 5% Inflation und 0% Zinsen ist historisch einmalig und ganz sicher kein Dauerzustand. Welcher Anleger akzeptiert schon, Jahr für Jahr 5% oder auch nur 3% seines Ersparten zu verlieren, ohne früher oder später gegenzusteuern?
Eine derart hohe und andauernde Wertvernichtung in einer Währung bringt über kurz oder lang den Vertrauensverlust in selbige und den Abzug der Ersparnisse aus ihr. Dem muss die Notenbank entgegenwirken. Und dafür hat sie neben dem Hoffen auf einen Rückgang der Inflation nur ein Mittel: Zinserhöhungen. Nur leider bedeuten steigende Zinsen Gegenwind für Aktien - und für Sachwerte generell. Schließlich scheinen 2% Dividende bei Aktien oder 2% Mietzins bei Immobilien angesichts alternativer Zinsen von aktuell 0% attraktiv. Bei 3% sicherem Zins sieht die Sache da schon anders aus. Ein Teil des Geldes, welches aufgrund der niedrigen Zinsen in den letzten Jahren in Sachwerte geflossen ist, würde also bei steigenden Zinsen auch wieder zurück in Zinsanlagen fließen und so die Preise von Sachwerten ebenso belasten, wie es sie zuvor bei fallenden Zinsen beflügelt hat. Zwar dürfte es den Notenbanken angesichts weltweit rekordhoher Schuldenberge schwerfallen, die Zinsen deutlich anzuheben, ohne damit Pleitewellen bis hin zu Pleiten hochverschuldeter Staaten zu riskieren. Die Akzeptanz eines schleichenden Vertrauensverlustes in die Währungen ist allerdings auch keine Alternative. Hier wird es also spannend, ob und wie die Notenbanken sich zukünftig aus diesem selbst geschaffenen Dilemma aus hoher Inflation und zementiertem Nullzins befreien können.
Tipp: Erwartungen anpassen
Fakt ist jedenfalls: Bei steigenden Zinsen gäbe es für Investoren keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Vielmehr belasten steigende Zinsen alle Anlageklassen, von langlaufenden Anleihen über Aktien bis zu Immobilien. Darauf weist aktuell niemand geringeres hin, als Nicolai Tangen, Manager von Norwegens Staatsfonds, des größten Staatsfonds der Welt. Sein Tipp: „Es geht nicht so sehr darum, die Allokation zu verändern. Was wir verändern müssen, sind unsere Erwartungen an die Zukunft“. Zu Deutsch: Angesichts der aktuell garantierten Inflations-Verluste in Zinsanlagen sollte man sein Geld keinesfalls aus Sachwerten abziehen. Sehr wohl sollte man jedoch seine Erwartungen an zukünftige Renditen etwas herunterschrauben. Das schützt zwar nicht vor zwischenzeitlichen Preisschwankungen bei Aktien und Immobilien, aber es schützt vor Enttäuschungen.
Unser Fazit: Sachwerte schützen weiter vor Inflation. Doch auch an der Börse und bei Immobilien wachsen die Bäume nicht in den Himmel.