Crash der Zocker-Aktien 27.01.2022
Gerade mal ein Jahr ist es her, da berichteten wir an dieser Stelle über eine wilde Zocker-Party: Heerscharen an Neu-Börsianern entdeckten im langweiligen Corona-Lockdown das spannende Feld der Börse für sich und zockten mit kleinen Nebenwerten, was das Zeug hielt. Angelockt von neuen technischen Möglichkeiten zur bequemen Depoteröffnung per Smartphone organisierten sich viele dieser „jungen Wilden“ über selbiges denn auch gleich noch in speziellen Social-Media-Gruppen für heiße Börsentipps mit Namen wie "Wall-Street bets" (Anm.: bets = Wetten). Allen voran auf der US-Plattform Reddit.
Zwar machten viele der unerfahrenen aber umso motivierteren Reddit-Trader ihre ersten Gehversuche an der Börse anfangs mit nur überschaubaren Anlagebeträgen. Doch nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ lehrten die Jung-Börsianer im weiteren Verlauf des von ihnen selbst inszenierten Börsen-Hypes sogar altgedienten Wall-Street-Größen das Fürchten. Denn mit ihrem übers Internet abgestimmten Verhalten, jagten sie Kurse von höchst zweifelhaften Außenseiter-Aktien wie GameStop, AMC Entertainment oder Signal Advance in geradezu stratosphärische Höhen.
Die atemberaubenden Gewinne der jungen Wilden ließen erfahrene Börsianer nicht nur verwundert zurück, sondern setzten selbst renommierte Wall-Street-Größen und Hedgefonds unter Druck. Die hatten nämlich bei den teils pleitebedrohten Firmen der Reddit-Trader auf fallende Aktienkurse gesetzt und wurden von den jungen Wilden und den von ihnen nach oben getriebenen Aktienkursen auf dem falschen Fuß erwischt. Einige Hedgefonds verloren dadurch Milliarden. Angespornt von ihrem Erfolg ging es den Neu-Börsianern im weiteren Verlauf denn auch nicht mehr allein um den schnellen Börsenreichtum über Nacht, sondern um nicht weniger als eine Börsen-Revolution samt Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen Kleinanlegern und Großinvestoren.
Doch was vor einem Jahr als frisch erwachter Börsen-Tiger absprang, ist mittlerweile als Bettvorleger auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Die abgestimmte Kursmanipulation hunderttausender Kleinanleger ging eine Weile lang gut. Schließlich ist die Börse auf kurze Sicht eine Abstimmungs-Maschine, bei der allein Angebot und Nachfrage das Kursniveau bestimmen. Langfristig aber ist die Börse eine Bewertungs-Maschine, die dafür sorgt, dass Aktienkurse dem eigentlichen Unternehmenswert folgen. Und der liegt bei Pleitefirmen nun einmal eher bei Null als in schwindelerregenden Höhen. So kam es, wie es kommen musste: Die Kurse der Zocker-Aktien der jungen Wilden haben sich mittlerweile nahezu in Luft aufgelöst - Verluste von bis zu 99% inklusive.
Womit sich einmal mehr die Börsenweisheit bestätigt: Je wilder die Party, desto stärker der nachfolgende Kater. Alte Börsenhasen jedenfalls lernen aus dem Schicksal der Reddit-Trader einmal mehr, dass man um wilde Börsen-Partys einen möglichst großen Bogen macht.
Im IAC haben wir seit unserer Gründung 1998 stets große Bögen um die Börsen-Partys am Neuen Markt im Jahr 2000, die BRIC-Blase 2007, die Rohstoff-Blase 2012 und einige weitere kleinere Börsen-Partys gemacht – und wir haben es am Ende nicht bereut. Zwischenzeitlich steht man als reiner Zuschauer solcher Partys zwar stets dumm da, solange die Party-Gäste ihre Gewinne feiern. Wenn man aber vor der Entscheidung steht, lieber kurzfristig mal dumm dazustehen oder aber als Teilnehmer einer Börsen-Party dauerhaft sein sauer Erspartes zu verlieren, sobald die Musik verstummt, sollte die Entscheidung zur Party-Abstinenz eigentlich nicht allzu schwerfallen.