Itzehoer Aktien Club

Itzehoer Aktien Club

Börsensturm 31.05.2022

Noch Anfang des Jahres herrschte für Kapitalanleger eitel Sonnenschein: Die Börse hatte mit Blick auf das zurückliegende Jahr 2021 ordentlich zugelegt, gemessen an unserem IAC-Club-Fonds um fast 17%. Immobilien hatten einen Preisanstieg von stolzen 11% auf der Uhr, dem stärksten seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Einzig die Inflation gab mit einer Rate von über 5% zum Jahreswechsel bereits Anlass zur Sorge. Andererseits: Angesichts zweistelliger Kurs- bzw. Preissteigerungen bei Aktien und Immobilien konnte man als Anleger eine Inflation von 5% verkraften. Zudem versicherte EZB-Chefin Christine Lagarde, dass die Inflation rein "transitorisch" wäre und demnächst wieder Richtung Zielrate von 2% sinken würde. Also alles eitel Sonnenschein.

Angesichts dieser Schönwetterlage mag es dem Einen oder Anderen etwas schwarzmalerisch vorgekommen sein, dass wir in dieser Situation zu Beginn des Jahres in unserem Depotbericht einen langfristigen Wetterumschwung für die Kapitalmärkte prognostizierten:

Für die kommenden 10 Jahre rechnen wir daher mit einem raueren Börsenumfeld als in den letzten 10 Jahren - höherer Seegang bzw. stärkere Kursschwankungen und langsameres Vorankommen in Sachen Wertsteigerung inklusive“,

so unsere Einschätzung damals. Dass der Wetterumschwung so unmittelbar bevorstehen und gleich mit einem so heftigen Börsensturm beginnen würde, hätten allerdings selbst wir nicht gedacht. Grund genug für eine erste Sturmbilanz nach noch nicht einmal einem halben Jahr Wetterumschwung am Kapitalmarkt:

Börse

Weltweit liegen die Börsenkurse seit Jahresstart im Schnitt zweistellig im Minus - die noch im Vorjahr bejubelte US-Technologiebörse Nasdaq mit rund -25%. Damit wurden die gesamten Kursgewinne des Vorjahres innerhalb weniger Wochen ausgelöscht. Der Dow Jones Index legte zudem jüngst mit einer Verlustserie von 8 Wochen einen Negativrekord hin. Nur einmal zuvor in den letzten 100 Jahren, in der großen Depression 1931, hatte er mehr Wochen in Folge im Minus geschlossen.

Inflation

Die Inflation hat sich alles andere als "transitorisch" erwiesen und ist keinesfalls auf dem Rückzug, wie noch zum Jahreswechsel von der EZB prognostiziert. Im Gegenteil: Mit einer Rate von rund 8% hat die Preissteigerung hierzulande im Mai den höchsten Wert seit fast 50 Jahren erreicht. Damit erweist sich die Inflation für Anleger mehr und mehr als Vermögensvernichter von historischer Dimension: Wer sein sauer Erspartes zu 0% Zinsen bei der Bank parkt, ist in den letzten 12 Monaten bereits um 8% ärmer geworden. Auch zukünftig werden Anleger weiterhin Teile ihrer Ersparnisse bei der Bank Monat für Monat an die Inflation verlieren.

Zinsen

Um angesichts dieser Aussichten keine Panik unter Zinssparern aufkommen zu lassen und weil die Inflation eben nicht von allein wieder sinkt, hat die Notenbank die Zinswende in Aussicht gestellt. Dummerweise haben steigende Zinsen unangenehme Nebenwirkungen: Für Anleger in vermeintlich sicheren Zinsanlagen mit fester Laufzeit, sogenannte Anleihen bzw. Rentenpapiere, bringen steigende Zinsen erstmal Verluste. Weil die alten, niedrig verzinsten Anleihen bei steigenden Zinsen gegenüber neuen höher verzinsten Anleihen an Attraktivität verlieren und folglich im Kurs fallen.

In den USA, wo die Zinswende bereits läuft, erleben Anleger in solchen Zinspapieren derzeit den schlechtesten Jahresauftakt seit 200 Jahren. Die Kursverluste langlaufender US-Anleihen betragen seit Jahresbeginn schon fast 20% - für sicherheitsorientierte Zinsanleger ein echter Orkan.

Hierzulande, wo die Zinswende laut EZB ab Juli beginnen soll, halten sich die Kursverluste mit Zinspapieren zwar noch in Grenzen. Mit einem Minus von rund 7% im laufenden Jahr wurden damit jedoch bereits alle aufgelaufenen Gewinne seit 2014 ausgelöscht. Zu Deutsch: Anleihe-Investoren haben mit heimischen Zinspapieren aufgrund der jüngsten Verluste in den letzten 8 Jahren nichts verdient – die Inflation noch nicht einmal eingerechnet.

Lebensversicherungen

Die Tragweite des Crashs am Renten- bzw. Anleihemarkt wird erst klar, wenn man sich fragt, wer davon eigentlich betroffen ist bzw. wer in Anleihen investiert. Das sind nämlich insbesondere Lebensversicherungen, die das Geld ihrer Kunden aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Großteil in derartigen Zinspapieren anlegen müssen. Die meisten Lebensversicherungskunden dürften sich der negativen Auswirkungen von 8% Inflation und zusätzlichen Kursverlusten in ihren Lebensversicherungen auf ihre Altersvorsorgeplanung noch gar nicht bewusst sein. Bei rund 82 Millionen laufenden Lebensversicherungsverträgen in Deutschland also noch ein ordentliches Überraschungspotenzial.

Immobilien

Letzter Punkt unserer bisherigen Sturmbilanz: Immobilien. Hier scheint angesichts zwar nicht mehr groß steigender aber immerhin auf Rekordniveau verharrender Preise noch alles in Ordnung. Wir wagen die Prognose: das wird nicht mehr lange so bleiben. Der Grund: Die Immobilienpreise selbst reagieren erst mit zeitlicher Verzögerung auf steigende Zinsen. Dass diese grundsätzlich Gift für Immobilienpreise sind, versteht sich von selbst: Schließlich können Käufer sich bei steigenden Zinsen schlicht keine bzw. nur noch kleinere Immobilien bzw. niedrigere Kaufpreise leisten. Im laufenden Jahr haben sich die 10-jährigen Bauzinsen bereits von unter 1% auf mittlerweile fast 3% nahezu verdreifacht. Eine Idee, welchen Einfluss das auf die zukünftige Entwicklung der Immobilienpreise haben dürfte, gibt ein Blick auf die jüngste Entwicklung börsennotierter Immobilienaktien – schließlich ist die Börse anders als die Immobilien selbst ein Frühindikator.

Ergebnis: Die im RX Real Estate Index gehandelten deutschen Immobilienaktien blicken auf Jahressicht auf ein Minus von über 30%. Häufigster Tenor auf den Bilanzpressekonferenzen der Immobilienkonzerne: angesichts steigender Zinsen ist unklar, ob die bereits laufenden Wohnungsbauprojekte bei Fertigstellung in 1 oder 2 Jahren noch zu den kalkulierten Preisen verkauft werden können. Damit dürfte klar sein: Die steigende Inflation und die ihr bereits folgenden Zinsen werden auch dem langjährigen Boom der Immobilienpreise ein Ende bereiten. Zukünftige Preisrückgänge von 20 bis 30% sollten niemanden überraschen.

Wie geht es weiter? Was tun?

Angesichts dieser bisherigen Sturmbilanz stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Was kann man als Anleger tun? Nun, vor allem geht es darum, sich der Großwetterlage bewusst zu sein: Nach mehr als 10 Jahren Politik des lockeren Geldes, in der die Notenbanken die Welt mit billigem Geld geflutet und damit eine Kursparty bei allen Vermögenswerten befeuert haben, steht nun eine größere Kater-Phase an. Als Folge der verfehlten Geldpolitik werden wir es über die kommenden Jahre mit strukturell höherer Inflation zu tun haben. Das zwingt die Notenbank zu Zinserhöhungen. Die wiederum bringen Gegenwind für Vermögenspreise, von Aktien über Immobilien bis hin zu allen anderen Profiteuren der vorherigen Niedrigzinsphase.

„Für Anleger gibt es keine Möglichkeit, um sich und ihr Geld davor zu verstecken“, so zitierten wir bereits in unserem Börsenausblick 2022 Nicolai Tangen, Manager von Norwegens Staatsfonds, des größten Staatsfonds der Welt. Sein Tipp: „Es geht nicht so sehr darum, die Allokation zu verändern. Was wir verändern müssen, sind unsere Erwartungen an die Zukunft“.

Ein klein wenig kann man mit etwas Glück dann doch tun: Im IAC haben wir unser Depot in Erwartung eines langanhaltenden Wetterumschwungs in den letzten Jahren Stück für Stück defensiver aufgestellt. Das spielt uns bislang in die Karten: Anders als die Weltbörsen liegen wir mit unserem Club-Fonds samt seinen internationalen Qualitätsaktien im laufenden Jahr nicht zweistellig im Minus, sondern sogar leicht im Plus. Dass das auch in den noch zu erwartenden kommenden Sturmböen so bleiben wird, können wir nicht garantieren. Grundsätzlich aber sollte jemand, der einen Wetterumschwung erwartet und sich lange darauf vorbereitet hat, diesen besser überstehen, als jemand, der davon überrascht wird.

Und nach der jüngsten Rekordserie von 8 Wochen ununterbrochener Kursverluste im Dow Jones ist eine Zwischenerholung an der Börse jederzeit möglich.


Mit besten Grüßen


Ihr


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