Zeitenwende 30.12.2022
Hätte man lediglich ein Wort, um das (Börsen-)Jahr 2022 zu beschreiben, böte sich das Anfang Dezember offiziell zum Wort des Jahres Gekürte an: Zeitenwende.
Nicht nur, dass mit dem Ukraine-Krieg eine Zeitenwende in der Geo-Politik einhergeht, die hohe Unsicherheit schafft. Auch an den Kapitalmärkten kam es zu einer Zeitenwende: Abzulesen an der auf Nachkriegs-Rekordniveau gestiegenen Inflation. Diese wiederum verursachte eine Zeitenwende in der Zinspolitik: Im Jahr 2022 erhöhte die US-Notenbank FED ihren Leitzins von 0,25% auf 4,5% und damit so stark und schnell, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das wiederum brachte eine Zeitenwende bei der Bewertung von Vermögenswerten:
Nach über 10 Jahren steigender Immobilienpreise kam es ab Mitte 2022 erstmals zu bundesweit fallenden Preisen für Wohneigentum. Zinspapiere - eine der ertragsschwächsten, dafür aber schwankungsärmsten Anlageklassen – erlebten einen historischen Crash und verloren klar zweistellig. Auch Aktien kamen nicht ungeschoren davon: Der neue Zins-Gegenwind drückte die Kurse weltweit gemessen am MSCI World Index fast 20% ins Minus. Die Gewinner der Vorjahre, allen voran US- Technologie-Aktien, standen dabei gemessen am Nasdaq-Index mit weit über 30% Verlust ganz vorne auf der Verliererliste. Am härtesten traf es die Krypto-Vermögenswerte: Deren zuvor hochgejubelte Leitwährung Bitcoin entpuppte sich 2022 als Leid-Währung und verlor im Jahresverlauf rund zwei Drittel an Wert. Aufgrund zahlreicher Pleiten, u.a. von FTX als zweitgrößter Krypto-Börse der Welt, erlitten viele Krypto-Anleger sogar Totalverlust.
So dramatisch die Zeitenwende am Kapitalmarkt damit auch ist, im IAC traf sie uns nicht ganz unvorbereitet. Zwar erschien die Börsenwelt Ende 2021angesichts neuer Kursrekorde und hoch zweistelliger Jahresergebnisse in bester Ordnung. Dennoch formulierten wir seinerzeit in unserem Börsen-Ausblick 2022:
„Das wichtigste Thema scheint uns derzeit die Inflation… Dem muss die Notenbank entgegenwirken. Und dafür hat sie nur ein Mittel: Zinserhöhungen… Bei steigenden Zinsen gäbe es für Anleger keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Vielmehr belasten steigende Zinsen alle Anlageklassen, von langlaufenden Anleihen über Aktien bis zu Immobilien“.
Entsprechend vorsichtig, breit gestreut und mit klarer Untergewichtung der Vorjahresfavoriten navigierten wir im IAC-Club-Fonds durch 2022. Zwar konnten wir uns der Zeitenwende und dem damit verbundenen starken Gegenwind für alle Vermögenspreise nicht ganz entziehen. Mit einem Jahresergebnis von voraussichtlich lediglich rund -7% haben wir den Börsen-Sturm 2022 jedoch angesichts ansonsten auf breiter Front klar zweistelliger Verluste vergleichsweise gut überstanden.
Die große Frage lautet nun: War es das bereits mit der Zeitenwende? Wir glauben nicht. Zwar werden sich Inflation und Zinsanstieg 2023 wohl vorerst entspannen. Zeitenwende bedeutet aber eben auch, dass wir in eine neue Ära eintreten: Sorgte in der letzten Dekade die ausufernde Geldpolitik für hohe Vermögenspreis-Inflation, sprich steigende Preise von Immobilien, Aktien usw., bei gleichzeitig niedriger Verbraucherpreisinflation, wird sich dieser Trend in den kommenden Jahren umkehren. Hohe Verbraucherpreisinflation sowie in der Folge steigende Löhne und steigende Zinsen bedeuten jedoch weiterhin Gegenwind für Vermögenspreise.
Für Anleger, die wie wir im IAC in der letzten Dekade ihr Vermögen mit Aktien verdoppelt und verdreifacht oder auch solche, die vom Immobilienboom profitiert haben, geht es deshalb nun vor allem darum, die erzielten Vermögensgewinne bestmöglich zu erhalten. Welche Herausforderung das Jahr 2023 dabei angesichts drohender Rezession bringt, wird sich zeigen.
Die gute Nachricht: Aufgrund der teils erheblichen Kursverluste im Jahr 2022 ist die Bewertung von Aktien mittlerweile wieder im historisch günstigen Bereich angekommen. Zudem profitieren Aktien langfristig sogar von Inflation, weil Unternehmen ihre Preise in einem inflationären Umfeld leichter steigern können. Auf Sicht von 5 bis 10 Jahren winken mit Aktien daher durchaus attraktive Renditen. Den DAX sehen wir beispielsweise bis 2030 von aktuell rund 14.000 Richtung 25.000 Punkte steigen. Ob auf dem Weg dorthin das Jahr 2023 nochmal holprig wird oder nicht, kann niemand vorhersehen - es muss den langfristig orientierten Aktienanleger aber auch nicht interessieren.