Itzehoer Aktien Club

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Zertifikate-Blindflug 27.02.2006

Wir Deutschen sind schon ein eigenartiges Anlegervölkchen. Einerseits wegen unseres tiefen Sicherheitsbewusstseins weltweit als Sparbuchnation verschrien, andererseits ständig bedroht von einem kollektiven Durchbrennen sämtlicher Sicherungen: T-Aktie und Neuer Markt lassen grüßen.

Mehr noch: Während die in Anlagefragen deutlich aufgeklärteren Briten oder Amerikaner ihr Augenmerk bei der Geldanlage seit je her neben der Rendite auf Transparenz legen, scheint letzteres vielen deutschen Anlegern ein Fremdwort zu sein. Anders ist der jahrzehntelange Siegeszug der sowohl mickrig rentierenden als auch vollkommen untransparenten Kapitallebensversicherung hierzulande nicht zu erklären.

Und kaum, dass sich die Nachteile der Kapitallebensversicherung rumgesprochen haben und die Lebensversicherungsbranche einen Absatzeinbruch von bis zu 80% verzeichnet, stürmen deutsche Anleger in die nächste untransparente und deshalb höchst gefährliche Anlageklasse: Zertifikate.

Zertifikate für alle?
Eignete sich die Kapitallebensversicherung aus Sicht der Finanzindustrie in erster Linie dazu, vor allem sicherheitsorientierte Anleger zu ködern, weisen Zertifikate einen großen Vorteil auf: Mit ihnen lassen sich sowohl sicherheits- als auch renditeorientierte Anleger hinters Licht führen.

Und das geht so: Der Sicherheitsbewusste wird mit Versprechungen wie "Ohne Risiko am Börsenaufschwung teilhaben" in die unterschiedlichsten Arten von Garantiezertifikaten gelockt. In vielen Fällen geht die Unwissenheit der Anleger soweit, dass sie beim Abschluss dieser Angebote nicht einmal wissen, dass sie gerade im Begriff sind, ein Zertifikat zu kaufen. Banken und Sparkassen bieten ihre Zertifikate nämlich nur zu gerne unter kreativen Namen wie "Nikolaus-Anleihe", "Top-Kick-Anleihe" oder "DAX-Sparbuch" an. Renditeorientiertere Anleger hingegen wählen den Weg über sogenannte Bonus-, Turbo-, Partizipations- oder Knock-Out-Zertifikate, um auf bestimmte Börsentrends zu setzen.

Die Nachteile
Wo genau liegt nun der Haken bei Zertifikaten? Als erstes einmal sollte man sich bewusst sein, dass die in Deutschland boomende Zertifikate-Industrie weltweit einzigartig ist. Während in England oder den USA Zertifikate aufgrund ihrer Nachteile nicht existieren, haben deutsche Anleger mittlerweile die Qual der Wahl zwischen rund 80.000 Zertifikaten. Im Gegensatz dazu hört sich die Zahl von 1.000 börsennotierten Unternehmen und rund 6.000 Fonds hierzulande geradezu bescheiden an.

Die Euphorie, mit der die Finanzbranche Zertifikate feil bietet, ist denn auch ein sicherer Indikator dafür, wie gut die Branche - und nicht etwa die Anleger - an der neuen Anlageklasse verdienen. Während viele Anleger Zertifikate immer noch für eine preiswerte Alternative zu Fonds halten, sind die tatsächlichen, jedoch meist gut versteckten Kosten bei Zertifikaten oft haarsträubend. Die Liste weiterer Nachteile ist lang: Unbezahltes Emittentenrisiko, verlorene Dividende, Preisstellungsrisiken bis hin zu Totalverlustrisiken selbst bei als sicher angepriesenen Garantiezertifikaten.

Fazit:
Die individuellen Nachteile einzelner Zertifikate sind ebenso vielfältig wie das Angebot an Zertifikaten selbst und lassen sich deshalb an dieser Stelle nicht abschließend erörtern. Wenn auch Sie jedoch bereits ein Zertifikat im Depot haben oder mit dem Gedanken spielen, sich eines zuzulegen, gebe ich Ihnen einen Rat: Investieren Sie 15,- Euro und erwerben Sie das jährlich erscheinende "Schwarzbuch Börse" der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.. Dort wird in einem 18-seitigen Bericht zum Thema "Zertifikate Spezial" über die wahren Risiken, Kosten und die Willkür der Banken bei der Preisgestaltung von Zertifikaten berichtet.

Mit diesen wertvollen Informationen werden Sie dann mit Sicherheit nicht zu diesem "eigenartigen Anlegervölkchen" gehören, welches sein Geld als einziges auf der Welt im kollektiven Blindflug in Zertifikaten anlegt.

Zum "Schwarzbuch Börse 2005"


Mit besten Grüßen


Ihr


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