Dividende schlägt Zins 27.10.2023
Lange Zeit galt für Anleger: „Die Dividende ist der neue Zins“. Kein Wunder angesichts der jahrelangen Nullzinspolitik der Notenbanken. Schließlich sind 2 bis 3% Dividendenrendite mit Aktien bereits auf den ersten Blick besser als 0% Zinsen bei der Bank. Aufgrund der gestiegenen Inflation samt historischer Zinswende hat sich das Blatt nun allerdings gewendet: Mittlerweile locken einige Banken bereits wieder mit 3 oder gar 4% Zinsen. Da wirken 2 bis 3% Dividende mit Aktien auf den ersten Blick nicht mehr so attraktiv. Doch Vorsicht! Wer Zins und Dividende auf diese Weise vergleicht, übersieht etwas Wesentliches: Dass die Dividende langfristig steigt, der Zins hingegen nicht.
Zur Erklärung: Die Dividende als der Teil des Gewinns, den Unternehmen an ihre Aktionäre ausschütten, kann zwar kurzfristig schwanken - so sinken Firmengewinne und in der Folge die Dividendenausschüttungen in der Regel in einer Rezession. Da die Wirtschaft jedoch allen Konjunkturschwankungen zum Trotz langfristig wächst, steigen a la longue auch die Firmengewinne, und damit die Dividenden. Der Zins hingegen schwankt kurzfristig ebenfalls, hat langfristig aber keinen Aufwärts-, sondern einen Seitwärtstrend. So lag der Leitzins in Deutschland bereits vor Beginn der Nullzinspolitik im Jahr 2007 bei 4%. Tatsächlich lag er bereits in den 1950er Jahren bei 4% und schwankte seither zwischen 8% und 0%. Unter dem Strich ist er jedoch bis heute nicht gestiegen.
Ganz anders die deutsche Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandsprodukt: Diese hat sich seit Ende der 1950er Jahre von rund 100 Mrd. auf zuletzt fast 4.000 Mrd. Euro rund vervierzigfacht. Quasi im Gleichschritt damit wuchsen Firmengewinne und die daraus resultierenden Dividenden. Was diese abstrakte volkswirtschaftliche Betrachtung konkret für Anleger bedeutet, verdeutlicht folgendes Beispiel zweier Anleger, nennen wir sie Zins-Max und Dividenden-Fritz: Beide haben vor 30 Jahren umgerechnet 100.000 Euro geerbt und das Geld angelegt. Zins-Max ließ sich vom damals hohen Zinsniveau von rund 8% locken und sicherte sich diesen durch Anlage in eine 30-jährige Bundesanleihe dauerhaft bis heute. Seither kassierte er folglich jedes Jahr 8.000 Euro Zinsen.
Dividenden-Fritz hingegen investierte seine 100.000 Euro in die Aktie unseres weltweit tätigen Konsumgüterriesen Procter&Gamble. Die wies 1993 zwar nur eine Dividendenrendite von vergleichsweise mageren 2,3% auf und bescherte Dividenden-Fritz folglich im ersten Jahr lediglich eine Ausschüttung von 2.300 Euro. Allerdings wuchsen Umsatz und Gewinn unseres Konsumgüterriesen mit seinen Marken Gillette, Braun, Oral-B, Ariel, Lenor, Pampers & Co. seither Hand in Hand mit der Weltwirtschaft um ein Vielfaches. In der Folge erhöhte Procter&Gamble auch die Dividende seither um durchschnittlich über 11% pro Jahr von ursprünglich rund 0,13 Cent pro Aktie in 1993 auf rund 3,50 Euro in diesem Jahr. Die im Jahr 1993 im Vergleich zu den 8.000 Euro von Zins-Max mickrig wirkenden 2.300 Euro Ertrag von Dividenden-Fritz wuchsen somit bis heute um den Faktor 27 auf beeindruckende rund 62.000 Euro - fast das Achtfache der 8.000 Euro, die Zins-Max auch dieses Jahr wieder zufließen.
Fazit: Viel wichtiger als die Höhe der Anfangsrendite ist für den langfristigen Anlageerfolg, ob und mit welcher Wachstumsrate der Ertrag in der Zukunft steigt. 3% Dividendenrendite, die Hand in Hand mit Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen wachsen, sind langfristig deshalb deutlich besser als 4%, 6% oder auch 8% Zinsen ohne Steigerung.
PS: Mehr zum Thema Zins und Dividende erfahren Sie in meinem aktuellen Video-Interview mit Dr. Thomas Schüßler, dem "Fondsmanager des Jahres 2023" und verantwortlich für den größten deutschen Aktienfonds, den"DWS Top Dividende".